Was das Züchten mit Zuchtrechtshunden für uns schwer macht (Teil I)
Das Züchten mit Zuchtrechtshündinnen ist für uns bisweilen ein stressbeladenes Spannungsfeld, und die Besitzerinnen dieser Hündinnen – es sind praktisch ausschließlich Frauen – können sich meist nicht vorstellen, was verantwortungsvolles Züchten wirklich bedeutet. Das fängt schon beim Decken an. Das Wohl der Hündin ist nicht gleichzusetzen mit „Wenn die Besitzerin dabei ist, läuft es besser und/oder stressfreier für den Hund“. Tatsächlich ist meist das Gegenteil der Fall – jedenfalls haben wir es noch nie anders erlebt.
Die Hündinnen sind auch nicht gestresst, wenn Aart mit ihnen unterwegs ist – im Gegenteil. Die meisten dieser Hündinnen leben bei Frauen, die praktisch ständig trainieren oder sich anderweitig mit dem Hund beschäftigen. Das führt oft dazu, dass die Hunde im sozialen Umgang mit anderen Hunden unsicher oder zickig werden und in Kontexten, in denen keine (Arbeits-)Informationen vermittelt werden, völlig überfordert sind. Solche Hunde suchen kaum je den Kontakt zu anderen Hunden und spielen selten bis gar nicht. Man kann sich gut vorstellen, dass solche Hunde in Anwesenheit ihrer Besitzer beim Rüden weniger ihren Instinkten folgen – wobei das natürlich nicht zwingend so sein muss.
Interessant ist, dass diese Hündinnen bei uns lernen, ein wenig loszulassen und sich zu entspannen, im besten Sinne des Wortes. Das beginnt immer dann, wenn sie mit Aart unterwegs sind zum Decken. Genau diesen Teil glauben die Besitzerinnen solcher Hunde oft nicht. Selbst wenn sie mit eigenen Augen sehen, dass es dem Hund gut geht, bleibt das Gefühl: „Mein Hund ist ohne mich ein mentales Wrack.“ Diese Einstellung macht uns betroffen, da sie nicht nur die Realität verkennt, sondern dem Hund die Möglichkeit nimmt, selbstbewusster zu werden und sich mental zu entwickeln.
Die Erkenntnis, dass ein Umgebungswechsel der Entwicklung eines Hundes gut tut – vorausgesetzt, es handelt sich um eine liebevolle und hundegerechte Umgebung – hat dazu geführt, dass wir Welpen, die wir aus Würfen behalten, im Abgabealter für eine gewisse Zeit in Pflegefamilien geben.
Ein weiteres Diskussionsthema ist neben dem Wohl der Hündin die Wahl des geeigneten Deckrüden. Nur ein winziger Bruchteil der Rüden mit entsprechender Qualität befindet sich außerhalb Englands – und schon gar nicht in einem Radius von 300 km zum Wohnort der Hündinnenbesitzerin. Aus den genannten Gründen („Der Hund kann nicht ohne mich sein“) missfällt das der Besitzerin meist. Wir haben nichts dagegen, wenn die Besitzerin selbst die Reise nach England antritt, weisen jedoch bereits im Vorfeld darauf hin, dass die Hündin dann oft schwerer zu decken ist und dass die Rüdenbesitzer unerfahrene „Haustierhalter“ aus diesem Grund fast immer wegschicken. Dies passiert nicht, wenn Aart dabei ist!
Die meisten Besitzerinnen möchten ohnehin nicht selbst fahren, sei es aufgrund des Linksverkehrs, mangelnder Englischkenntnisse oder ähnlicher Gründe. Dies führt zu starkem Druck auf uns, Rüden „in der Nähe“ zu suchen. Wir bemühen uns sehr, die Wünsche der Besitzerinnen zu berücksichtigen, insbesondere was den Deckzeitpunkt angeht (z. B. Sommer/Winter oder bestimmte Prüfungen, die noch gemacht werden sollen). Manchmal wird eine Hündin so statt im Alter von 2 oder 2,5 Jahren erst mit 4 oder 5 Jahren gedeckt. Auch wenn wir wissen, dass es mit zunehmendem Alter für die Besitzerin schwieriger wird, gehen wir darauf meist ein.
Auch bei der Wahl des Deckrüden versuchen wir, die Wünsche im Hinterkopf zu behalten. Jedoch erleben wir immer wieder, dass die Besitzerinnen versuchen, mit uns über „geeignete“ Deckrüden zu diskutieren, ohne sich ansatzweise in die Materie einzuarbeiten. Sie möchten also nicht nur jahrelang täglich mehrere Stunden in die Thematik investieren, unzählige Kontakte weltweit pflegen, viele Züchter besuchen oder sich mit Genetik beschäftigen (was verständlich ist), sondern auch nicht auf unser Urteil vertrauen, welche Rüden geeignet sind und welche nicht. Es ist das Ergebnis jahrelanger Erfahrung und Arbeit, und die Vorstellung, man könne das gleichberechtigt diskutieren, verkennt die Komplexität des Themas.
Die Motivation hinter diesen Gesprächen ist ohnehin meist nicht das Finden des geeignetsten Rüden, sondern der Wunsch: a) die Hündin nicht abgeben zu müssen und b) auf keinen Fall weit fahren zu müssen – schon gar nicht nach England. Das ist aus psychologischer Sicht nachvollziehbar, aber weder hundefreundlich noch mit verantwortungsvollem Züchten vereinbar.